Der Vorteil solcher zusammenfassender, vergleichender Analyse von 12 Büchern zur selben Fragestellung liegt darin, dass man diese Bücher nicht alle lesen muss. Klar ist allerdings auch, dass Vieles unerwähnt bleiben wird, an Details, und ob die Zusammenfassungen neutral sind, auch das ist eher fraglich. Die Argumentationslinien eines der Bücher gefallen dem Bearbeiter, oder eben nicht. Die Thesen findet der logisch, naheliegend, oder eben abstrus, weniger überzeugend. Das spiegelt sich wider in seiner Ausarbeitung über das Buch. Geht gar nicht anders. Dessen muss man sich nur klar sein, dass dem so ist.
Warum dominiert der Westen die Welt? Weil er geografisch bevorteilt war, weil er die passende Religion hatte, weil er Wissen besser aufsaugte und weiterentwickelte, weil er am freiesten war, weil er dezentral organisiert war, weil er schlauer war.
Schlauer darf er natürlich in antirassistischen Zeiten nicht gewesen sein, aber zwischen den Zeilen liest man das schon recht deutlich bei einigen der Autoren heraus.
Killer Apps habe der Westen besessen:
Andere Autoren meinen, der Westen sei nicht so toll gewesen, die Anderen seien nur noch mieser drauf gewesen… der Aufstieg des Einäugigen unter den Blinden, sozusagen.
Bei allen Unterschieden innerhalb der Bücher gebe es aber gewisse Übereinstimmungen in den Beurteilungen, die man als voneinander abschreiben auffassen kann, es aber nicht muss.
Isolierte Weltmaechte wie China seien benachteiligt, offen Handel und Krieg gegeneinander betreibende Regionen wie Europa seien letztlich bevorteilt, höherer Innovationsdruck, bessere Strategien und überlegenen Waffen entwickeln zu müssen, auch das sei wichtig als Erklärungsmuster.
Dazu gibt es eine stichwortartige Übersicht:
Die Errichtung und der Verfall einer Neuen Weltordnung sind ebenso wie schon im alten Römischen Imperium auch heute noch Gegenstand der Betrachtungen. Warum enstehen Imperien, und woran zerbrechen sie? Gibt es Zyklen? Liegt es an der einsetzenden Dekandenz, dass Imperien fielen, liegt es an Invasoren (Rom ==> Völkerwanderung), liegt es am Verlust der Verteidigungsfähigkeit, fehlt der Wille zur Selbstbehauptung um jeden Preis, oder warum gehen Imperien unter? Liegt es an neu auftauchenden Konkurrenz-Imperien, das Buch ist voll der vergleichenden Analyse, und das macht seinen Reiz aus.
Es gibt Libertäre unter den Autoren, die Ökonomie und Wissenschaft sowie privates Eigentum (Kapitalismus) für entscheidend halten, es gibt andere Autoren, die die kulturellen, die religiösen Unterschiede für entscheidender halten, Huntington wird genau deshalb am meisten kritisiert, weil er auf den Islam und dessen zementiertes Gesellschaftsbild aus dem Mittelalter abhebt. Das sei eine minderwertige Kultur. Falsch, es ist eine Nicht-Kultur 🙂
Es ist kein Buch über den Aufstieg und Fall Preussens. Im Gegenteil befasst sich kein einziger der 12 Klassiker mit deutscher Geschichte.
Das Fazit dieses Buches war -für mich!- total deplaziert, weil es mit den vorhergehenden 330 Seiten so rein gar nichts zu tun hat.
Der Aufstieg des Westens war kein Zufall. Das Fazit ist imo falsch, und stimmt nicht mit den Kernaussagen der 12 Bücher überein.
Der Aufstieg des Westens ist vielmehr das Ergebnis der besseren Technik, also auch der besseren Waffen. Also der besseren Wissenschaftler. Hat mit bahnbrechenden Erfindungen zu tun.
Auch klar ist, dass Geisteswissenschaftlern da der Bezug fehlt, um das überhaupt zu erkennen. Klingt komisch, ist aber so. Rudergaleeren aus Holz gegen Dampfschiffe aus Stahl, das ist wichtig für die Frage, warum wer gewinnt. Pfeil und Bogen gegen Gewehre, auch das ist eine unausgewogene Paarung mit sicherem Ausgang. Das ist zwar Kindergarten-Niveau, aber nicht Jedem klar… der Aufstieg des Westens, also Europas ab dem Jahr 1500 etwa hat zu tun mit besserer Technik, besseren Waffen, mit was denn bitte sonst? Menschenrechte etc gab es damals noch gar nicht…
Natürlich spielen auch soft skills, also weiche Erfindungen eine Rolle. Menschenrechte, Demokratie, Rechtsstaat, Meinungspluralismus. Aber erst viel viel später, keinesfalls vor 1776 (US-Verfassung) bzw. 1789 (Französische Revolution).
Völlig verkannt haben die 12 Autoren, dass die grösste Gefahr eines Niederganges des Westens an der Kastration eben dieser Meinungsvielfalt liegt. Die Geissel der politischen Correctness lähmt nicht nur das eher unwichtige Deutschland, sondern genauso die Führungsmacht USA. Nur aus dem Wettbewerb der Ideen entstehen gesellschaftliche Evolutionen. Fällt dieser Wettbewerb dem Gesinnungsstaat zum Opfer, erlahmt auch der Fortschritt im Geistigen.
Die Demokratien des Westens sind im Wesentlichen medial gelenkt. Wenn der Westen fällt, dann genau deshalb: An der Lethargie seiner medial verdummten Bewohner selbst. Ein äusserer Feind ist weiterhin nicht in Sicht, dem der Westen sich nicht erwehren könnte. Seine technische und somit militärische Überlegenheit stellt niemand infrage.
Die Frage ist vielmehr, ob er sich mit allen Mitteln behaupten will, oder ob er „refugees welcome“ blökend von Innen heraus fallen wird. Wie damals das Römische Imperium: Immer mehr Germanenvölker reingelassen, die das Imperium schuetzen sollten, bis diese Vasallen letztlich die Herrschaft übernahmen. Fehlender Verteidigungswille etc. pp.
Die Verteidigung des Eigenen ist der Schluessel. Damals wie heute. Immer und in jeder Epoche der Geschichte war das so.
Das Buch: Klarer Lesetipp. Lohnt sich.
Sehenswert:
Schüsse auf dem Petersplatz
Wer wollte den Papst ermorden?
http://www.arte.tv/guide/de/057841-000-A/schuesse-auf-dem-petersplatz?autoplay=1
„Wie damals das Römische Imperium: Immer mehr Germanenvölker reingelassen, die das Imperium schuetzen sollten, bis diese Vasallen letztlich die Herrschaft übernahmen.“
Wenn man über den Niedergang des römischen Reiches spricht, muss man notwendig auch über seine Ausdehnung sprechen. Wie hätte dieser Stadtstaat denn seinen Limes mit „eigenen Leuten“ besetzen sollen? Was sind „eigene Leute“? Ich vermute, dass „Reiche“ den Keim ihres Verfalls selbst mitbringen. Oft brechen sie zusammen, sobald sie nicht mehr wachsen können, wie ein Schneeballsystem. Und dabei muss man sagen, dass das Römische Reich sehr lange gehalten hat und Europa heute noch mit soliden Hinterlassenschaften prägt. Italien war mit dem Römischen Reich keineswegs verloren. Die Homogenisierung bringt sowohl Nutzen wie Schaden und die Zerstörung ist unvermeidlich, schafft aber auch Platz für Neues.
Wer sich an „Reichen“ und ihrer Glorie in Geschichtsbüchern festklammert, rutscht leicht in einen negativen Historismus, der wenig für die Bewältigung der Gegenwart taugt und neue Risiken schafft, wo er absolute Stabilität sucht. Vielleicht sind ja die Huntingtons der beste Indikator für den Niedergang ihrer Mutterreiche.
Vortrag von Thomas P.M. Barnett von letztem Jahr https://www.youtube.com/watch?v=-9adQ250thM
Darin äußert er die Hoffnung, daß 100 Millionen Afrikaner bald 100 Millionen freie Stellen in Europa besetzen werden und führt die Thesen Jared Diamonds in ihrer ganzen Lächerlichkeit vor.
Barnett wird oft ein Zitat nachgesagt, daß die Europäer eine hellbraune Mischrasse mit IQ 90 werden sollten. Das stammt jedoch aus Der Letzte Akt von Richard Melisch.