Bleibt also nachzutragen, was denn zum THS-Kameraden Michael Hubeny, einem der Angeklagten in Erfurt, und zu „NSU, Rocker, Biker, Staatsschutz“ im Spiegel-Buch vom Chefreporter Jörg Diehl steht.
Nichts. Aber lesen Sie das selbst…
Bei zwei längeren Gesprächen im August 2008 und Januar 2010 erweist sich Janez E. phasenweise als aufmerksamer Zuhörer. Er verarbeitet Informationen schnell und stellt die richtigen Nachfragen. Bei der zweiten Unterredung erinnert er sich an Details aus dem ersten Treffen, obwohl anderthalb Jahre vergangen sind.
Allerdings versteckt der Rocker seine negativen Eigenschaften keine fünf Minuten lang. Wenn er Widerstand spürt, wird er laut. Selbst seinem Anwalt gegenüber vergreift er sich im Ton. Er behandelt seine Clubkameraden wie ein russischer Hauptmann seine Rekruten. Ein Verteidiger sagt später vor Gericht, Janez E. leide an Hyperaktivität.
Nach seiner Berufsausbildung ist E. ins Rotlichtmilieu abgerutscht. Er arbeitet als Türsteher in Singener Diskotheken und als Wirtschafter in einem Freudenhaus. Von 1984 bis 2000 wird er 14 Mal verurteilt, davon neun Mal wegen Körperverletzung. Dabei sieht er ein baden-württembergisches Gefängnis nie für längere Zeit von innen, die Justiz des Musterländles erteilt großzügig eine Bewährungsstrafe nach der anderen. So wird Janez E. 1992 wegen vorsätzlicher Körperverletzung zu sechs Monaten Haft verurteilt, ausgesetzt zu zwei Jahren auf Bewährung. In dieser Zeit schlägt er wieder zu, weshalb er jetzt einsitzen müsste. Doch E. stellt einen Gnadenantrag, der prompt bewilligt wird. Er kann in Freiheit weitermachen.
1995 verprügelt er in der Singener Diskothek »Top Ten« zusammen mit anderen Türstehern einen Betrunkenen. Als das Opfer am Boden liegt, schneidet einer der Schläger mit einem Messer oder einer Rasierklinge dem Mann in den Hals. Das Opfer belastet bei der Polizei Janez E., widerruft seine Aussage aber vor Gericht. Der Schläger wird freigesprochen. Wie sich später herausstellt, hat Janez E. das Opfer vor der Verhandlung massiv bedroht. Fünf Jahre nach der Tat gibt es eine Wiederaufnahme des Verfahrens. E. wird verurteilt – zu einer schlappen Geldstrafe von 90 Tagessätzen.
Seine Rockerkarriere startet Janez E. bei den Ghostridern. In den neunziger Jahren gibt es schwarze und gelbe Geisterreiter in Deutschland. Janez E. gehört zur gelben Fraktion. Als die Ghostrider 1999 zu den Bandidos wechseln, zieht er mit. Allerdings fliegt er bei den Banditen im Streit wieder raus. »Motorradfahren interessiert mich eigentlich nicht. Es geht mir um den Zusammenhalt im Club, um die Bruderschaft«, sagt er im Jahr 2008. Ermittler glauben, dass es das Prestige ist, dessentwegen Janez E. nach seinem Rauswurf unbedingt wieder in die rot-goldene Rockergang zurückkehren will. Zusammen mit ein paar süddeutschen Kumpels zieht er daher 2005 nach Thüringen. Die neuen Bundesländer sind zu der Zeit noch Terra incognita für die großen Clubs. Weder Hells Angels noch Bandidos haben Dependancen in Dresden, Leipzig, Magdeburg, Rostock oder Erfurt.
Janez E. gründet in Weimar eine Abteilung des Motorradclubs Gremium. Ihm schließen sich lokale Rocker kleinerer Vereine, Neonazis und gewöhnliche Kriminelle an. Als sich der wilde Haufen als MC-Platzhirsch etabliert hat, bittet Janez E. 2006 um eine Wiederaufnahme bei den Bandidos. Seine Anfrage löst in der deutschen Clubspitze und bei den beiden Führungsfiguren Peter Maczollek und Leslav Hause erbitterte Diskussionen aus. Die Janez-Gegner wollen niemanden zu ihrem »Bruder« machen, der schon einmal ihr »Bruder« war und sich wenig brüderlich verhalten hat.
E. braucht starke Argumente, doch die hat er. Er würde zwei komplette Clubabteilungen mitbringen, wirbt er. Dutzende Männer stünden hinter ihm, lockt er und prophezeit blühende Bandidos-Landschaften im Osten. Der Club könnte seinen Einflussbereich bis in die thüringische Provinz ausdehnen.
Der Bittsteller erwischt einen günstigen Moment. 2006 fühlen sich die Banditen bedroht und gedemütigt. Im norddeutschen Stuhr haben Hells Angels im März die Bremer Bandidos brutal zusammengeschlagen und so das Ende des Chapters erzwungen. Für die gesamte Bande ist das eine deprimierende Niederlage – in so einer Situation will sie sich verstärken, aufrüsten und zurückschlagen.
Generell streben Motorradbanden wie die Bandidos danach, ständig zu expandieren. So wie beim Deutschen Fußballbund, der CDU oder bei Greenpeace hängen Macht und Einfluss einer Organisation wesentlich von der Anzahl der zahlenden Mitglieder ab. Laut Clubsatzung zahlt jedes Mitglied monatlich 47 Euro in die Nationalkasse der deutschen Bandidos-Führung.
Mitte 2006 genehmigen die westdeutschen Bosse die Wiedervereinigung mit Janez E. Der einst Verstoßene wird Aufbau-Ost-Beauftragter in Thüringen. Die Dependance heißt offiziell Bandidos »Jena«, ihr Vereinsheim liegt aber in Weimar. Die Rockerbande wird Geschichte schreiben – Kriminalitätsgeschichte.
Zu den wichtigsten Mitstreitern von Janez E. gehört der ebenfalls aus dem süddeutschen Singen stammende Domenico »Memo« M., 28. Der Elektriker war Zeitsoldat bei der Bundeswehr und ist wohl der cleverste im Club, weshalb er zum Vize-Präsidenten aufsteigt.
Als besonders brutal gilt Rafael »Rafa« H., der zum »Sergeant at Arms« (Waffenmeister) berufen wird und unter anderem die Einhaltung der Clubregeln zu überwachen hat. Allerdings bekommt er sich selbst nicht in den Griff: Der in Polen geborene und in Baden-Württemberg aufgewachsene Zimmermann rastet schnell aus. Bei einer früheren Kirmesschlägerei tritt er auf einen Kontrahenten ein, obwohl der bereits von der Polizei gefesselt am Boden liegt. Bei einer weiteren Prügelei durchtrennt er seinem Gegner mit einem abgebrochenen Glas den Kiefermuskel und die Speicheldrüse. Jetzt aber komplettiert »Rafa« das Führungstrio der Bandidos »Jena«.
Die West-Häuptlinge und die einheimischen Kriminellen terrorisieren in der Folge Bevölkerung und Touristen der Kulturstadt Weimar. Sie knattern auf ihren Harleys ohne Helm viel zu schnell durch die Straßen, arrogant und gewaltbereit bewegen sie sich wie weiße Kolonialherren im Afrika des 19. Jahrhunderts.
Als Domenico »Memo« M. sich im Straßenverkehr von einem Autofahrer geschnitten fühlt, passt er den Mann auf einer Tankstelle ab und zieht ihm einen Gummihammer über den Schädel. Ein anderes Mal stoppt »Memo« gemeinsam mit Janez E. ein Auto, in dem sich ein verängstigter Bürger eingeschlossen hat. Die Rocker rütteln an dem Wagen, Janez E. tritt den Außenspiegel ab. Der Anlass bleibt unklar.
Ähnlich wie einst die Dichter Schiller und Goethe befindet sich der junge Bandidos-Club anscheinend in einer Sturm-und-Drang-Phase – mit ernsthaften Konsequenzen für die körperliche Unversehrtheit von Unschuldigen. In der Weimarer Diskothek »Locca« sticht Rafael H. im November 2007 einen Gegner ins Bein und brüllt: »Da, wo ich herkomme, steche ich dir das Messer in den Arsch.« Ein Jahr später streiten »Rafa« und Vize »Memo« an der Bar des »Locca« mit zwei Männern. »Rafa« sticht zuerst zu, seine Opfer flüchten. Vor dem »Locca« holt der Gewaltrocker einen der Rivalen ein und zieht ihm die Messerklinge quer durch das Gesicht, von einem Ohr bis zum anderen. Zwei Monate nach diesem Vorfall haben die Bandidos erneut Stress mit Barbesuchern, dieses Mal im »Cascada« direkt am Nationaltheater in der Innenstadt. Clubmitglied Jörg M. – Szenename »Two Cycles« – sticht dreimal mit dem Messer zu. Die Staatsanwaltschaft wertet den Angriff als versuchten Mord.
Ihren Ruf als skrupelloses Rollkommando wollen die Männer um Janez E. offensichtlich zu Geld machen. Ende 2006 bestellen die Rocker einen Tattoostudio-Betreiber zu sich ins Clubheim. Janez E. eröffnet dem Geschäftsmann, dass er seinen Laden kaufen wolle. Der Mann könne als Angestellter weiterarbeiten. Außerdem sollen die Sätze gefallen sein: »Mit uns im Rücken geht es dir besser. Außerdem kannst du ruhiger schlafen.«
Der Mann knickt aber nicht ein, auch nicht als ihm die Bandidos bei einer zufälligen Begegnung am Weimarer Kino drohen: »Wir haben dich nicht vergessen.« Anfang 2007 brennt das Auto des Tattoostudio-Betreibers. Eindeutig Brandstiftung. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass die Bandidos einen Konkurrenten loswerden wollen, denn ein Clubbruder betreibt ebenfalls ein Studio in der Stadt. Von einem seriösen Übernahmeangebot, das die Rocker dem Tätowierer gemacht haben könnten, gehen die erfahrenen Ermittler in diesem Fall eher nicht aus.
Die Staatsanwaltschaft Gera, zuständig für Organisierte Kriminalität in Thüringen, klagt Janez E. und Domenico »Memo« M. daher wegen mutmaßlicher räuberischer Erpressung an. Doch das Landgericht Erfurt folgt dieser Argumentation nicht. Für die Richter hätte das Kaufangebot tatsächlich ernst gemeint und somit Teil von Verhandlungen zwischen seriösen Geschäftsleuten sein können: Freispruch.
Auch die Türsteherszene gerät durch die Rocker-Dominanz unter Druck. Nach Aussage eines Zeugen bestellen die Bandidos alle lokalen Security-Unternehmer zu einem Termin ins Clubhaus. Ob das Treffen tatsächlich stattgefunden hat und welche Absprachen getroffen wurden, ist nicht bekannt. Ein weiterer Zeuge äußert in einer Polizeivernehmung: »Die ›Praetorianer‹ zahlen Schutzgeld an die Bandidos.«
Die »Praetorianer« sind ein Sicherheitsunternehmen in Weimar. Sie stehen unter anderem an der Tür der Diskothek »Locca«, in der Bandido Rafael H. bereits zweimal brutal sein Messer eingesetzt hat. Der »Praetorianer«-Geschäftsführer Tino R. verneint bei der Polizei, dass er Schutzgeld an die Rocker abgeben müsse.
Die Weimarer Bandidos schämen sich nicht für ihr Image. Im Gegenteil. Sie fürchten eher, dass es republikweit unbeachtet bleiben könnte. Nach Aussage eines späteren Kronzeugen fordert Janez E. von seinen Männern: »Wenn wir auf eine Clubparty in Bochum oder Berlin gehen, dann sollen die anderen Bandidos sagen: ›Guckt mal, da kommen die Verrückten aus Thüringen!‹«
Die Weimarer Rocker betreiben die mit Abstand aufwändigste Homepage der deutschen Bandidos-Chapter. Während des Intros wandert der mexikanische Bandit über den Bildschirm und schießt mit seinem Revolver die Buchstaben BANDIDOS in eine gelbe Fläche. In der Fotogalerie präsentieren Janez und »Memo« ihre zahlreichen Tattoos auf den nackten Oberkörpern. Auf allen Fotos formen die Bandidos mit Daumen, Zeiger- und Mittelfinger der rechten Hand eine Pistole. Nach Aussage eines Aussteigers, den SPIEGEL TV im Sommer 2008 interviewt, will die Bande ihren Gegnern damit demonstrieren, dass sie bewaffnet ist.
In der Fotogalerie finden sich auch Bilder einer Leipziger Einwanderertruppe. Die gewaltbereite Gang um den Armenier Artur T. besucht die thüringischen Rocker im Sommer 2008 auf deren Poolparty. Man umarmt sich, lächelt blutsbrüderlich in die Kamera. Ein paar Monate zuvor ist die Gruppe randalierend durch die Leipziger Innenstadt gezogen, nachdem sie von Türstehern mit Hells-Angels-Kontakten aus einer Disko geprügelt worden waren. Bei der Gewalttour durch Leipzig fällt vor der Kneipe »Mia’s« ein Schuss, ein unbeteiligter Russlanddeutscher stirbt. Der Täter ist bis heute nicht gefunden.
Die Macht des Präsidenten
Über 200 Jahre nachdem Friedrich Schiller den Tyrannen Dionysios in seiner »Bürgschaft« beschrieben hat, herrscht in Weimar ein Mann, der in seiner Brutalität und Rücksichtslosigkeit selbst einer Ballade entstammen könnte. Unter dem Bandidos-Boss Janez E. haben vor allem die Clubkameraden zu leiden und von denen am meisten die Neulinge – Anwärter und Unterstützer.
Innerhalb der Gang bestimmt Janez E., welche Gefolgsleute einzelne Ämter wie Kassenwart, Waffenmeister oder Vize-Präsident bekleiden dürfen. Das Regelwerk der Bandidos »Jena« verleiht ihm die Personalführungskompetenz offiziell. Punkt 12 der Weimarer Rocker-Verfassung lautet: »Der Präsident alleine entscheidet, welcher seiner Leute welches Amt ausübt.«
Als die Rocker im heißen Sommer ihr Clubhaus ausbauen, schachten die Novizen eine Grube für einen Swimmingpool aus. Janez E. räkelt sich derweil auf einer Liege und beaufsichtigt die schweißtreibenden Arbeiten. Ein Sonnengott mit einem Tattoo des barmherzigen Jesus auf der Brust – der bei Kleinigkeiten äußerst unbeherrscht sein kann. Als ihm einmal das von »Prospects« gekochte Mittagessen nicht schmeckt, wirft er es an die Wand und befiehlt brüllend dem Koch, die Reste aufzuwischen.
Von dem »Supporter« Kay-Oliver P. verlangt Janez E., dass dieser seine Freundin auf den Strich schicke. Als die Frau sich weigert, schlägt der Boss auf den Rocker ein. Janez E. übernimmt die Ausbildung der angehenden Hure jetzt selbst und schickt sie in ein Bordell nach Berlin. Für seine Mühen verlangt E. fortan monatlich 500 Euro von Kay-Oliver P., Studiengebühren nach Rockerart.
E. führt ein fürstliches Leben. Er fährt einen Mercedes-Geländewagen und wohnt in einem schmucken Haus in dem Dorf Pfiffelbach bei Weimar. Das Geld für seinen aufwendigen Lebensstil verdient seine Partnerin als Prostituierte. Er selbst ist offiziell arbeitslos.
Irgendwann möchte er für das gemietete Grundstück einen besseren Sichtschutz haben. Außerdem könnte die Fassade einen neuen Anstrich vertragen, denkt sich der Rockerboss.
Kurze Zeit später bricht der Bandidos-Anwärter Peter U. bei Farben Schultze in Weimar ein und klaut eimerweise weiße Farbe. Damit streicht er dann das Haus seines Präsidenten. Außerdem steigt der Nachwuchsrocker in den Globus-Baumarkt in Jena ein und erbeutet Zaunelemente. Die Beute bringt er in den Garten des Despoten und baut auf. Fertig ist der neue Sichtschutz zum Nulltarif.
Peter U. bleibt aber nicht der brave Vollstrecker für die Wünsche seines Bosses. Bald übernimmt er die Rolle des Verräters, der den Tyrannen im Hintergrund erledigt. Jedoch zückt er nicht den Dolch im Gewande, sondern wählt lieber die rechtsstaatliche Variante. Er begibt sich ins Zeugenschutzprogramm und sagt umfassend bei Polizei und Staatsanwaltschaft aus. Damit läutet er das Ende der Schreckensherrschaft von Janez E. ein.
Die Vorgeschichte dieses Seitenwechsels hat alle Zutaten einer griechischen Tragödie: die Liebe einer Frau zu zwei Männern, Eifersucht, eine alte Freundschaft, Verrat, einen Suizid und einen Despoten. Doch von vorne: Peter U. betreibt 2008 ein Internetcafé am Weimarer Bahnhof, es ist nicht seine einzige Geldquelle. »Von Hause aus bin ich Einbrecher«, sagt Peter U. später den Ermittlern. Äußerlich passt er nicht zu anderen Bandidos. Er pumpt seinen Körper nicht mit Hilfe von Anabolika auf und ist einen Kopf kleiner als der Rest der Rockertruppe. Auf Fotos wirkt er wie der schmächtige Steuermann zwischen Ruderathleten. Sein Freund Andreas F., auch ein »gelernter« Einbrecher, mischt ebenfalls bei den Weimarer Bandidos mit. F. ist fast zwei Meter groß.
Peter U. betrügt seine Freundin regelmäßig mit einer anderen Frau. Als er aber im Sommer 2008 schwer mit seinem Motorrad verunglückt und für längere Zeit außer Gefecht gesetzt ist, muss sich die Zweitfrau anderweitig behelfen. Also geht sie auch mit Andreas F. ins Bett, was wiederum Peter U. überhaupt nicht gefällt. Er fühlt sich von seinem Freund und Bandido-»Bruder« verraten.
Generell ist es in Motorradclubs strengstens verboten, eine sexuelle Beziehung zu der Gefährtin eines anderen Mitglieds zu unterhalten. Der Übeltäter wird üblicherweise im »bad standing« ausgeschlossen, jeder Bandido muss den Verstoßenen attackieren, wenn er ihn sieht.
Eifersüchtig auf seinen Freund, spricht Peter U. nun mit dem Diktator Janez E. über die Angelegenheit. U. will wissen, ob das Beischlafverbot auch für Zweitfreundinnen gilt. Darf Andreas eine Affäre mit Peters Affäre anfangen?
Diese komplizierte Frage ist im Regelwerk der Bandidos »Jena« nicht geklärt. Unter Punkt 3 heißt es lediglich: »Die Frau meines Bruders ist unantastbar.« Also ist Janez E. das Gesetz, und er verfügt: Auch Zweitfrauen sind tabu. Der Anführer leitet sogar interne Ermittlungen ein. Die Frau muss zu einer Vernehmung ins Clubheim kommen, wo sie den Beischlaf mit beiden Bandidos bestätigt. Die Vereinsführung ruft daraufhin Andreas F. an und zitiert ihn ebenfalls herbei. Doch F. erscheint nicht, er ahnt wohl das heraufziehende Unheil. Stattdessen stürzt sich der verängstigte Mann am 26. August 2008 von einem Eisenbahnviadukt. Eine Joggerin findet seine Leiche.
Jähzornig, wie er ist, macht Präsident Janez E. ausgerechnet Peter U. für den Suizid verantwortlich: »Der Andreas ist wegen deiner F**** von der Brücke gesprungen.« Für U. hat sich plötzlich der Wind um 180 Grad gedreht. Eben noch der gute Clubbruder, der auf die Einhaltung der Regeln pocht, jetzt der Bösewicht, der den Tod eines Kameraden verschuldet hat.
Gang-Despot Janez E. ist unberechenbar und wechselt oft radikal seinen Standpunkt. Eine geschickte Methode, um seine Macht zu erhalten. Die anderen Rocker wissen nie genau, ob sie etwas richtig oder falsch gemacht haben. So blicken die verunsicherten Untertanen stets devot auf zu ihrem Herrscher, der ihre Handlung absegnet oder missbilligt.
Nach dem Suizid droht Janez E. dem in Ungnade gefallenen Peter U.: »Dir passiert jetzt nur nichts, weil die Polizei und die Presse überall herumschnüffeln.« U. fühlt sich wie ein geschlagener Gladiator in der Manege. Er hat keinen Schimmer, was auf ihn zukommt. Kann sein, dass er begnadigt wird. Kann sein, dass er im »bad standing« aus dem Club fliegt und um sein Leben fürchten muss. Das Urteil des Präsidenten vorauszuahnen, ist kaum möglich.
Also befolgt Peter U. den Rat seiner Mutter und geht zur Polizei. Seine Aussage stützt ein Großverfahren gegen die Rocker vor dem Landgericht Gera. Im Juni 2010 verurteilen die Richter mehrere Bandidos wegen bandenmäßigen Diebstahls. Fast neun Jahre Haft bekommt der Haupttäter: Die Männer waren 2007 und 2008 auf Einbruchstourneen durch Thüringen und Bayern gegangen und in etliche Geschäfte eingestiegen. Das Vereinsheim diente dabei als Kontakt- und Info-Börse für die Diebeszüge.
Clubpräsident Janez E. erwischt es im Januar 2010. Die Staatsanwaltschaft Gera klagt ihn wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, schwerer Körperverletzung und Hehlerei an. In dem Mammutverfahren sitzen noch vier weitere Bandidos und ein Unterstützer auf der Anklagebank. Der Staatsanwalt wirft ihnen versuchten Mord, schwere Körperverletzung und Drogenbesitz vor.
An diesem bitterkalten Januartag mit viel Neuschnee wundern sich Prozessbeobachter über die fehlende Unterstützung auswärtiger Bandidos. Normalerweise tauchen bei solchen Verfahren Rocker aus dem gesamten Bundesgebiet in Hundertschaftsstärke auf und signalisieren den Angeklagten ihre Solidarität. Doch in Erfurt friert lediglich ein trauriges Dutzend lokaler Figuren vor dem Gerichtsgebäude. Und die müssen auch noch draußen bleiben, weil sie ihre Kutten nicht ausziehen wollen. Szenekenner vermuten, dass ein Streit zwischen Janez E. und der deutsche Bandidos-Spitze in Bochum eskaliert ist. Der Weimarer Boss soll Prozesskostenhilfe aus der Nationalkasse gefordert haben. Die Deutschlandchefs hingegen betrachten das Verfahren als E.s Privatangelegenheit.
Auch nach innen bröckelt die Macht des Diktators. So ärgert es den in Untersuchungshaft sitzenden Vize Domenico M., dass bei Besuchen seiner hübschen Freundin Janez E. immer zugegen sein will. Der Tyrann fordert von seinem Vertreter zudem unverhohlen, dass sich dessen blondierte Partnerin prostituieren soll. Das ist zu viel. »Memo« bricht noch in der Zelle mit der Bruderschaft, die für ihn keine mehr ist. Sein Verteidiger ruft beim Staatsanwalt an und vermeldet: »Herr M. hat Gesprächsbedarf.« Die Männer treffen sich beim Landeskriminalamt in Erfurt. »Memo« packt aus und sagt den Ermittlern: »Wir waren nicht der MC Bandidos. Wir waren der MC Janez.«
Danach überschlagen sich die Ereignisse. Janez E. löst die Weimarer Bandidos-Dependance auf. Nach der Aussage seines ehemaligen Stellvertreters wandert er in Untersuchungshaft. Der Rockerboss wird schließlich unter anderem wegen diverser Gewalttaten zu fünf Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Allerdings kann die Kammer in den Bandidos »Jena« keine kriminelle Vereinigung erkennen.
Dabei hätte ein Erfurter Hells-Angels-Unterstützer wegen der rücksichtslosen Rocker fast sein Leben verloren. Rafael »Rafa« H., Nummer drei in der Weimarer Bandidos-Hierarchie, überfällt im Dezember 2009 zusammen mit Nico R. den Rivalen René F. »Rafa« rammt ihm eine Machete in den Körper und schlitzt ihm den Bauch auf. Die Ermittler staunen hinterher, dass der Hells-Angels-Unterstützer überlebt hat. Nach Aussagen des späteren Kronzeugen Domenico »Memo« M. wollte sich »Rafa« den Aufnäher »Expect no Mercy« verdienen, um mit dem Brutalitätsorden sein Ansehen in der Gruppe zu steigern. Es wird lange dauern, bis »Rafa« das Abzeichen stolz präsentieren kann, denn das Landgericht Erfurt verurteilt ihn im Januar 2011 zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe. Insgesamt wandern 19 Rocker für insgesamt 74 Jahre hinter Gitter.
Die Bandidos in Weimar haben sich mittlerweile neu gegründet, ohne den ehemaligen Club-Despoten Janez E. Der sitzt noch im Gefängnis und empfindet die Wiederbelebung »seiner« Gang als Putsch, ja schlimmer noch, als Hochverrat.
Wo ist Michael Hubeny, wo ist RA Gerhard Zahner, der Beate Zschäpe eine Visitenkarte gegeben haben will, wo sind die 2 Begleiter Zschäpes, wer waren die, und welche Aliaspapiere benutzten „die 3“, alle Ausweise mit Nummern etc wurden bei der Einlasskontrolle notiert?